Ehrenamt des Monats: „Wilde Bande Erzgebirge“

20. Juni 2025
Unser Ehrenamt Pressemitteilung

Projekt zur Wildtierrettung ausgezeichnet

Auch wenn die Überschrift nach abenteuerlustiger Kindergeschichte klingt: Hier geht es um kleine Wildtiere – Vögel, Eichhörnchen und Feldhasen, die wiederum das Leben von Adina Schrepel zu einem echten Abenteuer machen. Im Herbst 2022 hat sie in Jöhstadt eine Auffangstation zur Wildtierrettung ins Leben gerufen, um hilfsbedürftigen Fundtieren eine zweite Chance zu geben.

Schon von Berufswegen dreht sich bei der 26-jährigen alles um das Tierwohl. Als tiermedizinische Fachangestellte arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten im Zentrum für Kleintiermedizin in Annaberg-Buchholz. Dass 2018 aus ihrem Beruf eine Berufung wurde, verdankt sie einem kleinen Blaumeisenküken, das von verantwortungsvollen Findern in die Sprechstunde gebracht wurde. Adina Schrepel nahm sich dem Tier an. Mit Hilfe anderer Wildtierpflegestellen und Fachseiten im Internet beschaffte sie sich zunächst alle notwendigen Informationen, um eine artgerechte Versorgung des Tieres zu gewährleisten. Da Jungtiere nicht isoliert aufwachsen sollen, bekam es bald Gesellschaft von anderen Findel-Küken. Es dauerte kein Jahr bis sich herumgesprochen hatte, dass sich die gebürtige Chemnitzerin der Pflege von Wildtieren annimmt.  Anfänglich richtete sie dazu in ihrer damaligen Mietwohnung eigens einen Raum ein, um die kleinen Fundtiere liebevoll zu versorgen.

 

Bei der Suche nach einem Eigenheim schaute die junge Familie dann gezielt nach Immobilien, die sich auch für die Pflege von Wildtieren eignen würden, und fand so ab 2021 einen neuen Lebensmittelpunkt in Jöhstadt. Unmittelbar nach dem Umzug schufen sie eigens Räume für die Versorgung von Wildtieren – Vögel, Eichhörnchen und Feldhasen finden dort nun regelmäßig Zuflucht. Nimmt sie ein Tier an, ist der Ablauf immer ähnlich: Vorrang hat die Erstversorgung – Finderdaten, Fundort, Erstbefund und Umfang der Erstversorgung werden dokumentiert. Anschließend muss sie entscheiden, ob sie das Tier pflegen kann oder ob sie es an eine andere Pflegestation weitervermittelt. An oberster Stelle steht das Tierwohl verbunden mit dem Ziel, die Zwei- und Vierbeiner wieder in ihren natürlichen Lebensraum zu entlassen. Auf die Pflege folgt die Phase der Auswilderung, bei der sich die Wildtierauffangstationen in Sachsen gegenseitig unterstützen und artspezifische Auswilderungsvolieren betreiben. Für Einzelschicksale, die beispielsweise aufgrund von Verletzungen nicht wieder wildbahnfähig werden, versucht Adina Schrepel Zoos, Tier- und Wildparks zu finden, in denen sie ihr Gnadenbrot bekommen. Findet sich keine Einrichtung, in der eine tierschutzkonforme Haltung möglich ist, bleibt im Zweifelsfall nur das Einschläfern.

 

„Allein schon die Pflege der Tiere bedeutet 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche für sie da zu sein“, zeigt sich Landrat Rico Anton vom Engagement der Jöhstädterin beeindruckt. „Für die Vermittlung, den Transport der Tiere sowie den Bau und Unterhalt von Einrichtungen zur Auswilderung bedarf es erheblicher Ressourcen. Die Bereitschaft dafür, auch individuelle Interessen hintenanzustellen, ist Ausdruck eines vorbildhaften ethischen Werteverständnisses von Adina Schrepel.“

 

Zur Brut- und Setzzeit herrscht bei Adina Schrepel Hochkonjunktur. Auch das Familienleben richtet sich oftmals nach den Herausforderungen, die die „Wilde Bande Erzgebirge“ mit sich bringt. Mittlerweile schicken auch andere Tierärzte Fälle zu ihr oder Jäger melden sich, um Rehkitze weiterzuvermitteln. Hinzu kommt ihr zweites Steckenpferd: Sie unterstützt Tierheime bei der Handaufzucht von jungen Katzen. Um die Kitten groß zu ziehen, die ohne Mutter auskommen müssen, braucht es Fachwissen und Erfahrung. Ohne die fachliche Expertise und Unterstützung durch ihren Arbeitgeber sowie das gesamte Team der Veterinärpraxis wäre das Projekt „Wilde Bande Erzgebirge“ in dem jetzigen Umfang nicht leistbar. Wenn eine Aussicht auf Erfolg besteht, übernimmt ihr Lebensgefährte als Tierarzt auch notwendige Operationen, zum Beispiel, wenn es die Oberarmfraktur eines Eichhörnchens zu versorgen gilt. Trotz aller Bemühungen hat Adina Schrepel ein klares Ziel vor Augen: ihr geht es darum, ihren Schützlingen eine zweite Chance in freier Wildbahn oder zumindest für ein naturnahes Aufwachsen zu geben. Bei Interessierten muss sie ab und an für Verständnis werben, dass sie Besucherverkehr vermeidet, weil sich die Tiere so wenig wie möglich an den Menschen gewöhnen sollen.

 

Seit 2018 hat sich Adina Schrepel kontinuierlich im Bereich der Wildtierpflege fortgebildet und ein weitreichendes Netzwerk zu anderen Pflegestationen, Behörden, Unterstützern und Spendern aufgebaut. Finanziert wird das Projekt „Wilde Bande Erzgebirge“ vorwiegend aus privaten Mitteln sowie zweckgebundenen Sach- und Futterspenden.

 

„Die Leidenschaft mit der sich Adina Schrepel für den Schutz von Wildtieren einsetzt, ist in höchstem Maße anerkennenswert und als Bürgermeister bin ich auch ein Stück weit stolz darauf, dass es in Jöhstadt so eine Pflegestation gibt. Mich würde es außerordentlich freuen, wenn die Auszeichnung auch dazu beiträgt, das Projekt unter den Bürgerinnen und Bürgern noch bekannter zu machen und sich aus deren Mitte weitere Unterstützung findet“, würdigt Stadtoberhaupt André Zinn die ehrenamtliche Arbeit.

 

Für ihr selbstloses und beispielgebendes Engagement im Bereich Tierschutz wurde Adina Schrepel mit dem „Ehrenamt des Monats Mai“ ausgezeichnet. Sie erhielt von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.

 

Um ein noch besseres Bild von ihrer Arbeit zu bekommen, hat die Fachstelle Ehrenamt mit ihr nachfolgendes Interview geführt.

 

Wie kam es zu der Idee sich für die Wildtierrettung zu engagieren?

Adina Schrepel: „Ich hatte es nie geplant und bin da eher von Berufswegen hineingestolpert. So hart es klingt, aber Tierarztpraxen und -ärzte sind für die Versorgung verletzter Wildtiere weder zuständig noch fachspezifisch qualifiziert und oft auch nicht ausgestattet.“

 

Die Pflege von Tieren bedeutet aber auch persönliche Entbehrungen?

Adina Schrepel: „Das ist so. Das letzte Mal im Urlaub waren wir 2019. Als Mutter einer kleinen Tochter ist es herausfordernd Familie, Beruf und Tierpflege in Einklang zu bringen. Man muss schon gut organisiert sein. Ich habe den Vorteil, dass ich als Angestellte in einer Veterinärpraxis auch Tiere, die in kurzen Intervallen gefüttert werden müssen, mitnehmen kann und von Seiten meiner Kolleginnen und Kollegen unterstützt werde. Sie übernehmen auch mal eine Fütterung oder machen eine Annahme und Erstversorgung. Mit etwas Glück habe ich für einen kurzen Zeitraum im Winter mal keine Tiere zur Pflege und gönne mir etwas Ruhe.“

 

Wie hoch sind die bürokratischen Hürden, um eine Pflegestation für Wildtiere zu betreiben?

Adina Schrepel: „Dass wir an gesetzliche Regelungen gebunden sind und diese selbstverständlich einhalten, ist auch im Sinne des Tierwohls. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit der unteren Naturschutzbehörde zusammen. Weniger Bürokratie wünscht sich, glaube ich jeder. Bei jagbarem Wild zum Beispiel, müssen wir mit den zuständigen Jägern sprechen, ob es entnommen und gepflegt werden darf. Das gilt auch für Rehkitze, die nicht mehr von der Mutter versorgt werden. Allein der Aufwand für diese Einzelfallentscheidungen ist hoch und kostet Zeit und Nerven.“

 

Was würden Sie sich vom Gesetzgeber dahingehend wünschen?

Adina Schrepel: „Ich hatte es schon angedeutet: die Wildtierpflege ist eine ‚Systemlücke‘ im Tierschutz. Es gibt keine öffentlichen Strukturen, die sich um die Pflege der Tiere kümmern und auch keine Einrichtungen, die sich für eine Auswilderung eignen. Wenn es schon allein privaten Initiativen überlassen bleibt, wäre es wünschenswert, dass Regelungen gefunden werden, die uns die Arbeit erleichtern.“

 

Sie haben mir im Gespräch gesagt, dass es Ihnen wichtig ist, zu betonen, dass so eine Pflegestation kein „Streichelzoo“ ist?

Adina Schrepel: „Tierwohl bedeutet für mich, dass wir unsere Pflegefälle dahin bringen, dass wir sie guten Gewissens wieder in die freie Wildbahn entlassen können und sie dort artgerecht weiterleben. Sie sollen sich während der Pflege so wenig wie möglich an den Menschen gewöhnen, was bedeutet die Kontakthäufigkeit so gering wie möglich zu halten. Für die Kinder bzw. deren Eltern, die uns ab und an fragen, ob sie die Tiere besuchen können, tut mir das auch ausgesprochen leid.“

 

Wie schnell gewöhnen sich die Tiere an den Menschen?

Adina Schrepel: „Mitunter zu schnell. Wir hatten beispielsweise einen Spatz, der auch nach seiner Freilassung jeden Abend in die Auswilderungsvoliere zurückgekommen ist. In einem anderen Fall war es ein Eichhörnchen, das eine ganze Weile nach seiner Zeit bei uns mit einer Bisswunde zurück zur Voliere gefunden hat, mutmaßlich um sich helfen zu lassen.“

 

Was ist ihre ganz persönliche Motivation?

Adina Schrepel: „Es ist die Liebe zu den Tieren. Tierwohl bedeutet für mich, dass sie in ihrer natürlichen Umgebung aufwachsen oder zumindest naturnah. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, Grenzen anzuerkennen und nicht zu pflegen, um des Pflegens willen. Die Menschen, die Tiere abgeben, sind ausgesprochen dankbar, dass sich jemand darum kümmert und wenn sie das Gefühl haben, dass sie sie in fachkundige Hände geben. Ich möchte mich dieser Aufgabe auch weiterhin stellen, auch wenn es herausfordernd ist.“

 

 

Quelle: Fachstelle Ehrenamt / wu

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