Ehrenamt des Monats: Ein historischer Ort weckt Kindheitserinnerungen

30. November 2022
Unser Ehrenamt News

Anja Jost vom Hammerwerk Schmalzgrube e.V. ausgezeichnet

Als assoziiertes Objekt der UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří ist das Hammerwerk in Schmalzgrube ein bedeutendes Zeugnis der vorindustriellen Eisenerzverhüttung. Eng mit der wechselvollen Geschichte des Hauses verbunden ist Anja Jost, Schatzmeisterin vom gleichnamigen Verein: für sie ist es ein Stück Kindheit und Neubeginn zugleich…

 

2009 wurde der Verein Hammerwerk Schmalzgrube e.V. gegründet und das Gelände, das bis dahin der Stadt Glauchau gehörte, durch den Verein gekauft. Zu DDR-Zeiten wurde es als Kindersanatorium und in der Nachwendezeit von der Lebenshilfe genutzt.

 

„Anja Jost und ich haben dort unsere gesamte Kindheit verbracht, da unsere Mütter als Erzieherinnen im Kindersanatorium beschäftigt waren. Wir sind als Kinder einfach mitgegangen, so etwas wie einen Kindergarten kannten wir gar nicht“, erinnert sich Vereinsvorsitzender Lutz Dietel.

 

Ziel des Vereins war es das historische Hammerwerk und das zugehörige Herrenhaus zu erhalten und den Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb hauptsächlich für Schulklassen, Rüstzeiten und Vereine fortzuführen. Die Suche nach Betreibern bzw. nach Personal gestaltete sich in den Folgejahren jedoch enorm schwierig. 2015 ist Anja Jost in den Verein eingetreten und hat seitdem eine Menge bewegt. Aus der anfänglichen Anfrage, ob sie ab und an im Büro helfen könnte, entwickelte sich ein ehrenamtliches Engagement in Teilzeit, für das es eigentlich eine Vollzeitstelle gebraucht hätte. Neben ihrer Funktion als Schatzmeisterin übernahm die Fünfzigjährige die Personalplanung vor Ort, trug die Verantwortung für Buchungsanfragen und die Gästebetreuung, plante die Programme für Gruppen, Schulklassen oder Rüstzeiten und organisierte die Feste des Vereins. „Wenn Not am Mann war hat sie sogar in der Küche mitgeholfen und am Wochenende Brote für die Schulklassen geschmiert. Sie ist dabei absolut an ihre Grenzen gegangen. Den Verein und insbesondere die Angebote für Kinder und Jugendliche würde es ohne ihr Engagement in den letzten Jahren so nicht mehr geben“, ist sich Conny Pötzscher sicher. Sie war es die Anja Jost für das Ehrenamt des Monats vorgeschlagen hat.

 

Während der Corona-Krise waren insbesondere ihre Fähigkeiten als Schatzmeisterin gefragt: da touristische Übernachtungen lange Zeit nicht möglich waren, hat Anja Jost nach alternativen Einnahmequellen gesucht. Im Rahmen der Beschränkungen hat sich der Verein mit kleineren Feiern und Veranstaltungen über Wasser gehalten.

 

Mittlerweile blickt man beim Hammerwerk Schmalzgrube e.V. optimistischer in die Zukunft. Für den Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb mit insgesamt 53 Betten konnte Personal gefunden werden. Eine Entwicklung, die auch Bürgermeister André Zinn außerordentlich freut: „Die letzten Jahre waren für den Verein alles andere als einfach – Frau Jost hat in dieser Zeit unglaubliches geleistet. Ich wünsche mir, dass die aktuell positive Entwicklung dazu beiträgt, sie ein Stück weit zu entlasten und dass sich der Verein wieder mehr seinem originären Zweck zuwenden kann, um die bereits sehr gute touristische Entwicklung des Objektes weiter voran zu bringen.“

 

Für ihr umfassendes Engagement wurde Anja Jost mit dem „Ehrenamt des Monats Oktober“ ausgezeichnet. Sie erhält von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises „ERZgeBÜRGER“.

 

Um einen besseren Einblick in ihre Arbeit für den Hammerwerk Schmalzgrube e.V. zu erhalten, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit Anja Jost ein ausführliches Interview geführt.

 

Woher kommt Ihre tiefe Verbindung zum Hammerwerk Schmalzgrube?

Frau Jost: „Da meine Mutter zu DDR-Zeiten hier als Erzieherin im Kindersanatorium beschäftigt war, habe ich fast meine gesamte Kindheit hier verbracht. Ich kenne das Gelände und jeden Winkel der Gebäude wie meine Westentasche.“

 

Wie kam es 2015 zum Neuanfang und letztendlich zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?

Frau Jost: „2015 war ich über eine längere Zeit erkrankt und wollte eigentlich nur meine Ruhe haben. Meine Tante hat mich dann überredet zu einer Vereinsveranstaltung mit ins Hammerwerk zu kommen. Vorher war ich zwanzig Jahre nicht mehr dort. Vieles sah in den Räumen noch genau so aus, roch noch so und da ist der Funke übergesprungen. Ich fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt und es waren mit einem Mal ganz viele Erinnerungen wieder da, wie schön diese Zeit an diesem für mich besonderen Ort war.

Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte ab und an im Büro mit auszuhelfen. Trotz gesundheitlicher Probleme und der Arbeit war und ist es für mich ein Ort, um Kraft zu tanken.“

 

Aus der Hilfe im Büro wurde dann ein zeitintensives ehrenamtliches Engagement und Sie übernahmen die Funktion der Schatzmeisterin im Verein?

Frau Jost: „Ja, ich bin seit 2018 Schatzmeisterin. In den vergangenen Jahren musste ich mich aber auch umfassend um administrative Aufgaben vor Ort kümmern, um Gastronomie und Beherbergung für verschiedenste Gruppen zu organisieren.“

 

Woraus schöpfen Sie die Motivation für Ihre Arbeit?

Frau Jost: „Um ehrlich zu sein, gab es einige Momente, in denen ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Aber irgendwie ging es immer weiter. Vor allem wenn man wie wir viel mit Schulklassen und auch mit Kindern mit Behinderung zusammenarbeitet und diese einen nach ihrem Aufenthalt bei uns in den Arm nehmen und sich für eine tolle Zeit bedanken, weckt das unfassbare Emotionen und setzt bei einem selbst immer wieder Kräfte. Vielleicht ist es ein bisschen so, dass ich anderen Kindern die Möglichkeit geben will im Hammerwerk ähnlich schöne Momente zu haben, wie ich sie in meiner Kindheit hier erleben durfte.“

 

Der Verein konnte sich für den Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb personell neu aufstellen. Was erhoffen Sie sich davon?

Frau Jost: „Wir haben einen Koch, einen Hausmeister, eine Bürofachkraft und eine Stelle im Rahmen eines Mini-Jobs. Wir sind glücklich, dass wir Personal gefunden haben, das die Aufgaben im Hammerwerk mit viel Leidenschaft angeht und mit Herzblut dabei ist.

Der Vorstand und ich wollen uns zukünftig mehr um die Vermarktung und um strategische Belange kümmern: unser Angebot weiterentwickeln, den Ort stärker im Kontext des Weltkulturerbes in Szene setzen und zusätzliche Mittel akquirieren.“

 

Gibt es konkrete Planungen für die Zukunft?

Frau Jost: „In den vergangen Jahren ist es uns mit vereinten Kräften und durch tatkräftige Unterstützung der Denkmalschutzbehörde gelungen, das Dach des Herrenhauses zu sanieren. Daran wollen wir anknüpfen und die Innenräume auf Vordermann bringen. Im Außenbereich soll der Hochofen restauriert werden, ein neuer Spielplatz und eine Überdachung für den Grillplatz entstehen. Dass es in absehbarer Zeit Mobilfunkempfang und eine Internetanbindung geben soll, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge – ich persönlich habe es oftmals als wohltuend empfunden auch mal nicht erreichbar zu sein, aber für uns als Einrichtung ist es mit Blick auf den Aufbau des Tagungsgeschäftes eine Grundvoraussetzung.“

 

Kannten Sie die Kampagne „Ehrenamt des Monats“ vorher schon und was halten Sie davon ehrenamtlich Engagierten im Erzgebirgskreis einmal im Monat Danke für Ihren Einsatz zu sagen?

Frau Jost: „Ich kannte die Kampagne bisher ehrlicherweise nicht. Mittlerweile habe ich mir aber mal die Homepage angeschaut und war überrascht, wer alles schon ausgezeichnet wurde. Ich finde die Aktion wirklich genial und dass man den Engagierten auf diesem Weg einmal Danke sagt.“

 

Gibt es Veranstaltungen oder besondere Highlights auf die Sie im Namen des Vereins hinweisen möchten?

Frau Jost: „Am 28.12. findet ab 14 Uhr wieder unsere Waldweihnacht statt. Wir bieten Familien eine geführte Tour mit dem Förster an, der den Erwachsenen und Kindern Wissenswertes zu unseren heimischen Wäldern vermittelt. Auf dem Rückweg machen wir eine Fackelwanderung und lassen den Abend bei Gegrilltem und Glühwein gemütlich im Hammerwerk ausklingen.“

 

Quelle: PM / wu

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