Naturschutz und Klassik – 70 Jahre Ehrenamt treiben facettenreich Blüten

28. April 2022
Unser Ehrenamt News

Kurt Baldauf mit dem „Ehrenamt des Monats März“ ausgezeichnet

Angefangen hat alles in den 1950er Jahren mit dem Sammeln von Flechten und Moosen. Daraus entwickelt hat sich ein ehrenamtliches Engagement für den Naturschutz, das in seiner Wirkung und Kontinuität außergewöhnlich ist. Aufbau und Leitung von Fach- und Interessenvertretungen, wissenschaftliche Forschung und daraus resultierende Veröffentlichungen, Bildungsarbeit oder der Erhalt wertvoller Biotope – die Breite, in der sich Kurt Baldauf über Jahrzehnte für den Naturschutz eingesetzt hat, beeindruckt.

 

 

Gemeinsam mit anderen Botanikern gründete Kurt Baldauf 1979 die Fachgruppe Botanik Pockau, aus der 2010 die Fachgruppe Botanik Erzgebirge hervorging und die heute um die 50 Mitglieder zählt. Geleitet hat er sie mehr als drei Jahrzehnte mit dem Ziel, Erkenntnisse und Daten über die Pflanzenarten im Erzgebirge zu erhalten und das öffentliche Bewusstsein für den Naturschutz zu fördern. Sein Steckenpferd waren dabei die blütenlosen niederen Pflanzen, speziell Moose und Flechten.

Umso mehr Blüten trieb sein beständiges Engagement: Zahlreiche, unter Botanikern und Naturschützern viel beachtete Veröffentlichungen, gehen auf sein und das Wirken seiner Mitautoren zurück. Mit der politischen Wende und in den Folgejahren übernahm er darüber hinaus Verantwortung als Vorsitzender der Kreisgruppe Marienberg-Zschopau des NABU e. V. (Naturschutzbund Deutschland) und als Kreisnaturschutzbeauftragter.

Seinem Wirken sowohl als leidenschaftlicher Botaniker und Naturschützer als auch als kompetenter Funktionär ist es zu verdanken, dass eine Reihe wertvoller Biotope erhalten und Flächen unter Schutz gestellt werden konnten.

Fachkenntnisse zu vermitteln und Menschen für den Naturschutz zu sensibilisieren, waren ihm stets ein besonderes Anliegen. In der Nachwendezeit hat er gemeinsam mit anderen über viele Jahre Lehrangebote zum Naturschutz an Schulen initiiert: „Begonnen habe ich als Lehrer für Chemie und Russisch. Später hat sich die Möglichkeit ergeben, dass ich mich im Fach Biologie weiterbilde. Die Begeisterung dafür habe ich versucht, stets an junge Menschen weiterzugeben.“

Eine weitere Leidenschaft von Kurt Baldauf ist die klassische Musik. Dass er 61 Jahre als Sänger im Domchor Freiberg aktiv war, wissen die Wenigsten und auch der Bürgermeister der Stadt Pockau-Lengefeld, Ingolf Wappler, ist überrascht: „Ich kenne Herrn Baldauf schon eine ganze Weile und verbinde mit ihm sein herausragendes Engagement als Botaniker und Naturschützer. Dass er auch der klassischen Musik zugetan ist, war mir aber neu. In jedem Fall freue ich mich, dass das Ehrenamt des Monats dieses Mal nach Pockau-Lengefeld gegangen ist und seine Arbeit in diesem Rahmen noch einmal öffentlich Anerkennung findet.“

Den richtigen Zeitpunkt um kürzer zu treten, hat Kurt Baldauf nach eigenem Dafürhalten gefunden und seine Aufgaben als Funktionär in den vergangenen Jahren nach und nach in die Hände seiner Nachfolger übergeben.

Für sein umfassendes Engagement und sein kompetentes Wirken wurde Kurt Baldauf mit dem „Ehrenamt des Monats März“ ausgezeichnet und erhielt von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde und die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken).

 

Um einen besseren Einblick in das verantwortungsvolle Engagement zu gewinnen, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit Kurt Baldauf das nachfolgende Interview geführt.

 

Ihr Hobby ist Zeit Ihres Lebens die Botanik gewesen. Wann und wie fing alles an?

„Die Botanik und auch die Zoologie. Tiere und Pflanzen haben mich schon in meiner Kindheit fasziniert. Alles was wächst und sich bewegt habe ich intensiv beobachtet und im Zweifelsfall mit der Lupe untersucht. Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Forstwirtschaft in Tharandt studieren. Aus Mangel an Studienplätzen habe ich dann den Lehrerberuf ergriffen, zunächst für Russisch und Chemie. In meiner Funktion als Fachberater für Chemie im Kreis Freiberg bin ich mit zahlreichen Schulen in Kontakt gekommen und habe dann die Möglichkeit erhalten, mich im Fach Biologie weiterzubilden.“

 

Die Botanik bietet ein breites Betätigungsfeld. Warum haben Sie sich für Flechten und Moose interessiert?

„Bei meinen ersten Kontakten, die ich zu anderen Botanikern in der Region hatte, habe ich mich quasi dazu überreden lassen: Bei vielen anderen Pflanzengruppen hatten sich bereits Kollegen gefunden, die sich mit ihnen beschäftigten.“

 

Ihre botanische Sammlung umfasste zuletzt knapp zehntausend Belege. Wie schafft man das?

„Ich habe mehrere Jahrzehnte gesammelt. Doch mit dem Sammeln ist es ja nicht getan. Die Funde müssen anschließend bestimmt, gepresst und vernünftig präpariert werden. Ich habe auch immer besonderen Wert darauf gelegt, meine Präparate sauber zu etikettieren und die wissenschaftlichen Bezeichnungen einzuhalten.“

 

2021 haben Sie Ihre Sammlung an das Herbarium Haussknecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena übergeben und sie trägt weiterhin Ihren Namen. Welchen Stellenwert hat für Sie die damit einhergehende wissenschaftliche Anerkennung?

„Ab einem bestimmten Punkt im Leben merkt man anhand der Reaktionen auf seine Arbeit, dass man etwas bewegen und offensichtlich auch etwas weitergeben konnte. Es gibt einem eine gewisse Zufriedenheit, wenn man diesen Punkt erreicht hat.“

 

Sie haben sich Zeit Ihres Lebens für den Naturschutz engagiert. Wie kann man Kinder und Jugendliche heute dafür begeistern?

„Meiner Meinung nach geht das nur über botanische und zoologische Exkursionen. Wenn Kinder und Jugendliche ein stückweit freiwillig daran teilnehmen, dann wollen sie in der Regel auch etwas darüber lernen. Die Zeiten, um bei Jugendlichen Interesse für diese Themen zu wecken sind aber auch schwieriger geworden. Die Ablenkung durch Handys, Fernsehen und Konsumverhalten sind sehr hoch.“

 

Haben Sie im Rahmen Ihres langjährigen Engagements weitere Ehrenämter begleitet?

„Ja, ich war 61 Jahre lang als Sänger im Domchor Freiberg aktiv. Das Singen hat mir sehr dabei geholfen auch über schwere Momente im Leben hinwegzukommen.“

 

Sie haben vor kurzem Ihren 91. Geburtstag gefeiert. Inwieweit sind Sie noch ehrenamtlich aktiv bzw. haben Sie noch Gelegenheit Ihrem Hobby als Botaniker nachzugehen?

„Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß wie früher, aber ich versuche ab und an in die Natur zu gehen, um beispielsweise nach seltenen Gräsern, wie dem Scheidenblütgras, Ausschau zu halten, das in Deutschland und Europa eher selten ist. Ich habe auch einige meiner Belege aufgehoben, damit ich auch etwas vorzeigen kann, wenn ich zu bestimmten Themen gefragt werde.“

 

 

28.04.2022 wu

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