Von Bergbauenthusiasten und gesellschaftlicher Verantwortung

22. Dezember 2023
Unser Ehrenamt

IG Historischer Erzbergbau Lößnitz e. V. mit dem Ehrenamt des Monats ausgezeichnet

Was 1991 mit einer Maßnahme mit dem wenig spektakulären Arbeitstitel „ABM zur Freilegung des Reichenbach-Hoffnung-Stolln“ begann, nahm in der Folge mit der Gründung des Vereins ‚Interessengemeinschaft Historischer Erzbergbau Lößnitz e. V.‘ ungeahnte Dimensionen an. Im sogenannten Kuttengrund entstand ein Besucherbergwerk, ein Bergbaulehrpfad und über Tage liegende historische Gebäude wurden wiederaufgebaut. Bis heute fahren die Mitglieder Gang um Gang weiter auf und erforschen die Fundgrube. Ihr nächstes großes Ziel ist die Wiedererrichtung des einstigen Zechenhauses.

 

Wer Begriffe wie historischer Erzbergbau oder mittelalterliche Grubenbaue hört, mag zuerst an Abenteuer unter Tage denken und läuft unweigerlich Gefahr, einer zu romantischen Vorstellung von Altbergbau zu folgen. Für die Mitglieder des Vereins bedeuten sie in erster Linie harte, körperliche Arbeit. Das Auffahren der verfüllten Gänge und Schächte geschieht in Handarbeit. Taubes Gestein wird mit Schaufeln, Eimern und Radkarren aus dem Berg geschafft. Um die Jahrtausendwende waren es um die 400 Tonnen. „Dann haben wir aufgehört zu zählen“, gibt der Vereinsvorsitzende Jens Hahn unumwunden zu. „Ich schätze, bis heute sind wir ungefähr bei der doppelten Menge.“

Ab 1993 wurde vom Verein der Untere Reichenbach-Stolln mit Unterstützung der Wismut GmbH wieder aufgewältigt. Ein Jahr später fand die erste Mettenschicht darin statt und er war teilweise für die Öffentlichkeit wieder zugänglich. Die Flut im Jahr 2002 hätte fast das Ende des Vorhabens und infolgedessen auch das Ende des Vereins bedeutet. Mit der Unterstützung von Stadt, Landkreis und des Freistaates sowie Mitteln zur Regulierung von Flutschäden wagte der Verein einen Neubeginn. Bereits 2003 wurde die Reichenbach-Fundgrube als offizielles Besucherbergwerk wiedereröffnet.

Bis heute legen Mitglieder der Interessengemeinschaft weiterhin Meter um Meter verfüllte Gänge frei, pumpen Wasser aus gefluteten Abschnitten der Anlage – einerseits um den Ausbau der Besucherstrecke weiter voranzutreiben, andererseits um die mittelalterlichen Grubenbaue weiterhin zu erforschen. Sie erkunden, vermessen, kartieren oder suchen in den Archiven nach Aufzeichnungen und Hinweisen. Die Ergebnisse ihrer Forschung macht ein knapp vier Kilometer langer Bergbaulehrpfad für die Besucher erlebbar.

Als Bürgermeister der Stadt Lößnitz schätzt sich Alexander Troll ausgesprochen glücklich, dass sich der Verein mit so viel Leidenschaft und Engagement für den Erhalt von bergmännischem Brauchtum einsetzt: „Was der Verein unter Tage geleistet hat und weiterhin leistet, um den historischen Altbergbau der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist schier unfassbar. Mit der Schaffung des Bergbaulehrpfades, dem Wiederaufbau des Pulverturmes sowie der Kunstradstube und der Kultivierung des Areals haben die Engagierten einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, das Gelände zum Naherholungsgebiet zu entwickeln.“

Mit zahlreichen Veranstaltungen trägt der Verein auch inhaltlich dazu bei, dass das Areal gut besucht wird. Neben den Führungen unter und auf dem 4,5 Hektar großen Gelände über Tage bietet der Verein Sturmlaternenwanderungen an und veranstaltet ein Sommerfest sowie das „Haldensingen“. Ein Konzert an Himmelfahrt und die zwei Mettenschichten in der Adventszeit ziehen jährlich mehrere hundert Besucher an.

Den Nachwuchs haben die Bergleute aus dem Kuttengrund ebenfalls fest im Blick. Grenzüberschreitend unterstützt der Verein seit mehreren Jahren Projekttage deutscher und tschechischer Schulen, um die Bergbaugeschichte der UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří weiterzuvermitteln. Die überaus positiven Erfahrungen aus der Kooperation mit einer Förderschule haben gezeigt, dass sich das Angebot auch eignet, um einen Beitrag zur Inklusion zu leisten. Die ehrenamtlich Engagierten lassen sich einiges einfallen, um junge Menschen nachhaltig für Natur, Geschichte und Bergbau zu begeistern.

Auch an anderer Stelle engagiert sich die Interessengemeinschaft Historischer Erzbergbau deutlich über den originären Vereinszweck hinaus. Lößnitz ist Bestandteil der Kulturhauptstadt 2025 –  auch in diesem Kontext plant der Verein sich einzubringen.

Vor einer großen Herausforderung stehen die Mitglieder nach wie vor: Seit 2008 kämpfen sie um Fördermittel, um das ehemalige Zechenhaus in seinem ursprünglichen Zustand wieder zu errichten. Das eingeschossige Gebäude mit Spitzboden soll auf einer Fläche von 75 m² den Verein in die Lage versetzen, in Zukunft weniger von der Witterung abhängig zu sein und das Angebot für Schulprojekte sowie für Besucherinnen und Besucher weiter ausbauen zu können. Ziel ist es, eine Begegnungsstätte für den deutsch-tschechischen Austausch entstehen zu lassen. Die Baugenehmigung liegt bereits vor und auch ein Tandempartner für das Förderprogramm auf tschechischer Seite ist bereits gefunden.

„Mit Blick auf das Erreichte hat der Verein in den vergangenen Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung touristischer Infrastruktur und zur Traditions- und Brauchtumspflege geleistet. Neben den eigenen haben die Engagierten auch gesellschaftliche Interessen im Blick und unter anderem dafür gesorgt, dass Schülerinnen und Schüler etwas über die Geschichte des Bergbaus in unserer Region lernen“, lobt Landrat Rico Anton die Arbeit der Bergleute. „Mit dem angestrebten Vorhaben zum Wiederaufbau des Zechenhauses zeigt sich sehr deutlich, dass es gerade für die Brauchtumspflege im ländlichen Raum auch strukturelle Fördermöglichkeiten braucht, mit denen sich bauliche Maßnahmen realisieren lassen.“

Für sein langjähriges und erfolgreiches Engagement wurde der IG Erzbergbau Lößnitz e. V. mit dem „Ehrenamt des Monats November“ ausgezeichnet. Stellvertretend erhielt Jens Hahn als Vorsitzender von der Fachstelle Ehrenamt des Erzgebirgskreises eine Urkunde, die erzgebirgische Holzfigur „HelD“ (Helfen und Danken) sowie eine Einladung zum Großen Regionalpreis des Erzgebirgskreises ERZgeBÜRGER.

Um ein noch besseres Bild von der Arbeit des Vereins zu bekommen, hat Frank Wutzler von der Fachstelle Ehrenamt mit ihm ein ausführliches Interview geführt.

 

1992 wurde der Verein gegründet. Wie kam es dazu?

Herr Hahn: „Die Idee den Kuttengrund zu einem Naherholungsgebiet zu entwickeln und einen Lehrpfad einzurichten gab es schon Mitte der 80er-Jahre, damals angestoßen durch den Kulturbund. Letztlich scheiterte das Vorhaben am Geld und am Material. 1991 wurde im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme das Mundloch des Reichenbach-Stollns wieder freigelegt. Den Mitwirkenden war damals schon klar, dass die Anlage und das Gelände nach Abschluss der Arbeiten weiterentwickelt werden soll. Dies war gleichzeitig die Geburtsstunde unseres Vereins mit anfänglich sieben Mitgliedern. Mittlerweile sind es vierunddreißig aus dem gesamten Bundesgebiet, die zum Teil auch Förderer und Sponsoren unserer Vorhaben sind.“

 

Was fasziniert Sie am Altbergbau?

Herr Hahn: „Über die Jahrhunderte ist vieles an Wissen verloren gegangen, Aufzeichnungen beispielsweise zum Abbau rund um den Begräbnisberg, gibt es nur wenige. Mit seiner Hände Arbeit unter Tage Unbekanntes zu entdecken, spricht die Abenteuerlust in einem an.  Dieses Gefühl in Verbindung mit einer seriösen Forschung zu Geschichte, Technik und altem Handwerk macht für mich den Reiz am Altbergbau aus.“

 

Was macht das Abbaugebiet im Kutten- bzw. Bärengrund zu etwas Besonderem?

Herr Hahn: „Man muss sich dazu einfach nur die Dimension der Anlagen vor Augen führen. Wir haben auf dem gerade einmal 4,5 Hektar großen Gelände über fünfzig Stollenanlagen ausmachen können. Wo heute nur noch Wald und Wiesen zu sehen sind, stand im 16 .Jahrhundert eine ganze bergmännische Siedlung mit Wohnhäusern, einer Kapelle, mehreren Schmelzöfen, einer Schmiede, eigener Schneidmühle und Kohlenmeiler. Zur Blütezeit des Bergbaus wurde in dreißig Gruben gleichzeitig abgebaut.“

 

Gibt es Dinge, die der Verein heute anders machen würde?

Herr Hahn: „Im Gegensatz zu anderen Vereinen haben wir unsere ganze Kraft zuerst in den Ausbau des Bergwerkes gesteckt und die Infrastruktur, die es aber im Umfeld für die Vereinsarbeit braucht, etwas vernachlässigt. Wir haben auf dem Gelände nur einfache Holzblockhütten errichtet. Sowohl mit Blick auf die Führungen als auch auf unsere Veranstaltungen sind wir an der Kapazitätsgrenze angelangt.“

 

Das klingt als hätten Sie noch ein größeres Projekt in Planung?

Herr Hahn: „In der Tat. Seit 2008 gibt es Pläne, um das ehemalige Zechenhaus am Mundloch in seiner ursprünglichen Form wieder zu errichten. Geplant ist ein eingeschossiges Gebäude mit Spitzboden und einer Fläche von 75 m². Die Kaue, die wir aktuell nutzen, ist für größere Besuchergruppen einfach nicht ausgelegt. Es würde uns unabhängiger von der Witterung machen und vor allem für die Schulprojekte, die wir grenzüberschreitend durchführen, ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Wir sind nach mehreren Anläufen zuversichtlich, dass das Fördervorhaben 2024 umgesetzt werden kann und hoffen auf die Bewilligung durch den Fördermittelgeber. Wir sind zudem in der glücklichen Situation, dass die Stadtverwaltung, der Bürgermeister der Stadt Lößnitz und der Stadtrat hinter dem Vorhaben stehen und uns den Rücken stärken.“

 

Viele Vereine haben Probleme Nachwuchs zu finden. Stehen sie vor ähnlichen Herausforderungen?

Herr Hahn: „Als Verein beschäftigen wir uns mit einem hoch-emotionalen Thema. Wir haben das Glück, dass wir von Anfang an echte Bergbauenthusiasten an Bord haben und uns unsere Mitglieder seit vielen Jahren die Treue halten. Wir sind personell gut aufgestellt und auch sehr gut vernetzt. Dass wir junge Mitglieder gewinnen können ist eher selten der Fall. Die Schulprojekte die wir durchführen sind daher aus Sicht der Nachwuchsgewinnung eher eine Investition in eine fernere Zukunft. Für Interessierte mittleren Alters sind und bleiben wir als Verein immer interessant.“

 

Quelle: Fachstelle Ehrenamt / wu